Sonntag, 17. Januar 2016

Frauen

Als ich noch mit der Grauen Eminenz lebte, hatten wir verschiedene Hobbys. Er brachte mir Schach bei, aber ich konnte selten über den zweiten Zug hinaus denken, deshalb gewann er jede Partie, was ihn einerseits freute, denn er will immer gewinnen, andererseits langweilte ihn meine Minderbegabung. 

Er versuchte es mit Skat und ich kann sagen, dass wir nächtelang gespielt haben; wenn kein dritter Mann zugegen war, spielten wir Offizierskat. Ich war ihm ebenbürtig. Ich höre. Bin draußen. Ich bin unverschuldet in Not. Was einmal geht, geht zweimal. Das war unsere hauptsächliche Konversation, die wir problemlos in unseren Alltag integrierten. Sätze voller Allgemeingültigkeit.

Wer Skat begriffen hat, hat eine natürliche Begabung für Stufe 2: Doppelkopf. Womit wir uns ebenfalls die Nächte um die Ohren schlugen. Ich war im Fieber, das war was anderes als Monopoly, wo unser Vater immer die Schlossstraße kaufte und seine Töchter mitleidlos in den Ruin trieb.

Aber all das ist lange her. Nun hat die Auftragsmörderin vor einiger Zeit eine umfangreiche Doodle Liste verschickt, mit unzähligen Terminen für DoKo-Abende. Sie ist in den Sog einer Gruppe geraten und als gute Freundin wollte sie, dass auch ich meine Abende in windigen Hinterzimmern verbringe. "Es darf auch geraucht werden." Ihr Lockruf.

Gestern fand ich mich in einer Kreuzberger 1-Zimmer-Hinterhofwohnung im dritten Stock wieder. Es war unfassbar kalt außerhalb des Zimmers, das beheizt wurde von einer sogenannten Heizung, die gegen die Genfer Menschenrechtskonventionen verstieß; ich wusste, dass ich an diesem Abend mein Leben beschließen würde, dank einer schleichenden Kohlenmonoxidvergiftung. Seht ihr das blaue Flämmchen rechts unten?


Vier rauchende Leute in einem Zimmer, das nicht gelüftet werden konnte, weil es blitzartig eisig wurde, sobald man das Fenster einen Spalt öffnete oder man die Tür zum Flur öffnete, um auf's Klo zu gehen, was weitere Überwindung kostete - ich schätze, dieser Abend hat mich sechs Monate Lebenszeit gekostet. 

Aber das ist Nebensache, denn das eigentlich Gute war, dass vier Frauen im Alter von 27-58 zusammen saßen und alle Grenzen verschwanden. Es gibt zwischen den Generationen einfach keine natürlichen Altersgrenzen mehr. 

Als die Älteste von ihrer Dezember Affaire erzählte, und zwar auf so elegante und nonchalante Art, die mich jedes Wort glauben ließ, konterte die Jüngste mit einem Exkurs in ihre eigene Beziehung, die derzeit unter dem ärgerlichen Einfluss der beendeten Master-Arbeit ihres Freundes steht, begleitet von den üblichen Gefühlen der Leere, Depression und Sinnlosigkeit, die er leider an ihr auslassen muss. 

So unterschiedlich alt wir sind, so wenig unterscheiden sich unsere Geschichten, Haltungen, Erfahrungen und letztere werden von den Älteren nicht etwa aus der Erinnerung früherer Jahre hervorgekramt und zum Besten gegeben, nein, es passiert alles zur selben Zeit, heute. Als meine Tante Else 58 war, hatte sie keine Affairen, weder im Dezember noch sonst wann. Wahrscheinlich nie. Das war noch die Zeit der ein-Mann-Politik.


Wir sind offenbar verdammt, auf ewig das Leben von Zwanzigjährigen zu führen. try and error. 

6 Kommentare:

  1. Offizierskat, ich bin beeindruckt. An langen Abenden in früher Kindheit ebenfalls gespielt. Das Altenburger Kartenblatt alt und abgegriffen, ach ja...

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  2. Und mit jedem Fehlversuch werden wir schlauer. Beim nächsten Mal treten wir nicht mehr in diese Falle, dafür in eine andere. Und so immer weiter, bis zum Ende. Ich bin sicher es hört nie auf. Zum Glück.

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  3. Und solange wir weiter so wunderbare Frauenabende miteinander begehen, können wir uns immer wieder von den Missgriffen erholen :-) ... und auch herzlich drüber lachen.
    Über drei unverrückbare Tatsachen waren wir uns an dem Abend sehr einig: manche Beziehungsmuster muss man sich abgewöhnen; die Toilette war bitterkalt; und Pech im Spiel heißt nicht automatisch Glück in der Liebe.

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