Donnerstag, 21. Mai 2015

Der verhinderte Geheimagent

"Und du? Du warst bestimmt auch nicht bei der Stasi?" fragte ich den Mann, den ich auf einer Party kennenlernte, vor zig Jahren, als das noch ein Thema war, wenn sich Ost und West kennengelernt haben. 
"Doch, war ich."

Ich war elektrisiert. Ein Mann, der zugab, bei der Stasi gewesen zu sein. Bis dahin hatte ich nur Widerstandskämpfer kennengelernt. Und ich bin so neugierig auf Geschichten, die mit meinem Leben nichts zu tun haben.

"Es ist nicht alles schwarz oder weiß im Leben. Mein Vater war überzeugter Kommunist, ich bin in dem Glauben aufgewachsen, im besten Land der Welt zu leben. Und das wollte ich unbedingt schützen. Also, ich hielt nichts davon, meine eigenen Landleute zu bespitzeln, aber ich wollte unbedingt Auslandsagent werden. Den Feind unterwandern, unsere Grenzen schützen. Ich glaubte damals wirklich, dass das zwingend nötig ist. Naja, dann habe ich mich beworben, bzw. haben die mich sowieso angesprochen, wegen meines Vaters und ich sagte denen, ich bin dabei, aber nur, wenn ich ins Ausland kann. Das waren unheimlich gute Gespräche mit meinem Führungsoffizier. Fast so, als wären zwei Widerständler auf einem Haufen. Der hat so eine Nähe hergestellt, hat mich alles mögliche gefragt, ich sollte ganz ehrlich darüber erzählen, was nicht so gut läuft in der DDR. Und meine Kritik hat er bestätigt. Ich dachte, ist ja toll, der hört echt zu, ich kann mit dem ja über alles reden. Der war wie mein bester Freund. Solche Gespräche hatte ich vorher noch nie geführt. Dann haben die mich testweise nach Ungarn geschickt und haben mir dann so Aufgaben gestellt. Ich sollte zum Beispiel am nächsten Tag zu einer ganz bestimmten Uhrzeit jemanden Bestimmten anrufen. Das war gar nicht so einfach, es gab keine Handys und auch kaum Telefonzellen. Und wenn du dann so blöd gewesen bist wie ich, erst 5 Minuten vorher nach einem Apparat zu fahnden, warste gleich am Arsch. Fakt ist, zu meinem damals größten Unglück ist nichts aus meiner Karriere geworden. Nach Maueröffnung habe ich mir dann meine Stasiakte zeigen lassen und da stand dann sinngemäß drin, dass ich ein unfähiges Weichei bin und deshalb von einer weiteren Verwendung abzusehen sei. Das war auch Jahre später noch wie ein Schlag ins Gesicht. Das hat ja der Mann geschrieben, den ich für meinen besten Feund gehalten habe. Mit 18 ist man so bescheuert. Die hatten das voll drauf."

Ich hatte Respekt davor, dass er das so freimütig erzählte. Dass er seine Biographie nicht nachträglich schön färbte, sondern zu seinen Irrungen und Wirrungen stand. 

Wir verabredeten uns ein paar Tage später. Saßen unschlüssig voreinander. Er ist nicht der extrovertierte Typ, eher abwartend, beobachtend. Eine gewisse Bitterkeit im Gesicht, beleidigte Leberwurst. Lippen immer leicht geschürzt, wie eine kritische Hausfrau. Sein düsteres Outfit, wofür ich durchaus eine Schwäche habe, machte das nicht wett. Seine Stasi Geschichte hatten wir ja auf der Party schon umfassend behandelt. Es musste ein Thema her, sonst würden wir ins Wachkoma fallen.

"Letztes Wochenende hatte ich den beschissensten Sex meines Lebens." 
Er wachte auf und ich erzählte die hanebüchene Story, die ich mit einem Kriminalkommissar erlebt hatte. Wir lachten uns scheckig und so begann unsere Freundschaft. Einige Jahre verbrachten wir viel Zeit miteinander, dann verloren wir uns aus den Augen. Später schrieb er mal, dass er jetzt mit einer Frau zusammen leben würde. Ich gönnte es ihm.

Nach über 10 Jahren schrieb er mir eine Mail mit einem Link, ohne Anrede, ohne Abschiedsformel, nur ein Satz: "Schau dir das mal an, sie erinnert mich an dich." Ich sah mir das an und fragte ihn, why the fuck ich ihn an diese Frau erinnere. Sie ist ganz anders als ich, sieht anders aus, spricht anders - jedenfalls verabredeten wir uns kurzerhand auf einen Kaffee. 

Was soll ich sagen, das Leben ist manchmal doch ganz schwarz oder weiß. Er steht kurz vor der Trennung von seiner langjährigen Freundin. Das macht ihn traurig, aber drum kämpfen will er auch nicht (wenn ich sowas schon höre, als ob Menschen, die man liebt oder lieben könnte, an jeder Straßenecke zu finden sind). Ganz die alte beleidigte Leberwurst. Dramatische Gründe für das scheitern konnte er mir nicht nennen, mit geschürzten Lippen starrte er in die Ferne. Lahm meinte er, sie habe das falsche Bett gekauft, ohne ihn zu fragen. Zu klein, obwohl er doch so groß ist. Das ginge nur, wenn man frisch verliebt sei. Und mit dem Rücken hat er es auch.

Betten kann man umtauschen, aber ich hatte keine Lust, einem erwachsenen Mann nahe zu bringen, was auf der Hand liegt. Wenn er sich nicht bemühen mag.... seine Sache. Wenn er sauertöpfisch in die Gegend gucken will... geschenkt, jeder wie er kann. 

"Wann hast du Zeit nächste Woche? Montag?"
"Nee."
"Dienstag?"
"Auch nicht."
"Ich könnte auch Mittwoch."
"Mal schauen."

Er hat nicht weiter insistiert, worüber ich erleichtert bin. Seine bevorstehende Trennung möchte ich nicht abfedern. Er lacht noch weniger als früher. Er lächelt nicht mal mehr.

2 Kommentare:

  1. Na ja... Das falsche Bett wird wohl nur der Aufhänger gewesen sein..
    Trotzdem: Leberwürste mag ich nur auf trocken Brot, sonst gar nicht. Da hättsch auch mal keine Zeit.

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    1. Ja, ich mag das auch nicht, so hinterm Ofen hervorgezogen zu werden, um die Exklusivrechte an einer Lebenskrise zu erhalten.

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