Mittwoch, 25. November 2015

Bastelnde Tippsen

Damit Hotels ihre Zimmer vollkriegen, laden sie um die Weihnachtszeit Tippsen ein, zum Adventskranzbasteln. Manchmal auch im Sommer, zum Spargel stechen in Beelitz (Gott, hatte ich ein Glück, dass es goss wie aus Eimern - so blieb nur das Spargel schälen und das Schnitzel essen in unerträglich feuchter Schwüle, ich wäre beinah verreckt). 

Ich komm da also hin, im Saal versammeln sich ca. 20 Frauen, wir binden Kränze, als ob es kein Morgen gibt. Ich sitze am Tisch mit vier Frauen, die alle aus einer Firma kommen. Die eine hat einen mächtigen Busen und ist die Lustigste von allen. Begabt ist sie auch, wenn auch nicht geschmackssicher. Aber sie hat mir eine hübsche kleine Schleife aus Samt gebunden. 

Dann werden wir zum Buffet geführt, warmes Essen an Stehtischen eingenommen - ich kann mir kaum etwas Grausigeres vorstellen. Zu mir gesellt sich der Sales Manager und textet mich zu. Ist ja klar, und ich sage ihm, dass es mir leid tut, dass er jetzt dieses Gespräch mit mir führen muss, wo er doch weiß, dass ich nur auf der Suche nach einem Private Dining Room bin, den dieses Hotel nicht hat, wie schon im Mai geklärt wurde (Beziehungsweise haben die den schon, aber er ist von solch berückender Hässlichkeit, dass ich einen Kopf kürzer gemacht würde, sollte ich meine Bosse je dort einquartieren. Ich stelle mir vor, dass das ZK der SED in solchen Räumen getagt hat. Nichts für meine Herren, die lieber ins Soho House  gehen.)

Jedenfalls ist er erleichtert und erzählt von den schweren Arbeitsbedingungen in der Hotellerie; ich höre mir das geduldig an, alles ist besser, als Verkaufsgespräche nach Feierabend, stehend und essend - du meine Güte, was hab ich mir eigentlich dabei gedacht?

Naja, ich hatte mir gedacht, ich muss öfter ausgehen. Also über den üblichen Programmpunkt "Freunde treffen" hinaus. Mal was anderes sehen. Gestern war ich nämlich aus und kurz vorher wollte ich wie immer absagen, weil ich so grottenmüde war, dass mich schon mehrmals Sekundenschlaf übermannte. Aber dann wurde es doch ein schöner Abend, also beschloss ich, daraus zu lernen und eben öfter wegzugehen.  

Ich hab gleich wieder was gelernt: mit einem Mann zu Idil Baydar zu gehen, ist weitaus angenehmer, als Adventskränze im Kreise von Sekretärinnen anzufertigen. Mir tut der Rücken weh, denn die hatten keine Gesundheitshocker swopper TITAN dort stehen, sondern schnöde Konferenzstühle - während ich gestern auf Kinobstuhlung mit Beinfreiheit lagerte. 

Tja, und dann, nach der Hausbesichtigung, die ich dem Sales Manager nicht abschlagen konnte, bekam ich auch noch Augenkrebs, als er uns in den "Lounge Club" führte. Ich habe natürlich Beweisfotos gemacht, aber die stelle ich hier aus Liebe zur Menschheit nicht rein. Schlamm und Kunstleder. Ich stelle mir vor, dass Erich Honecker in sowas gesessen hat, wenn er aus dem ZK der SED nach Hause gekommen ist. 

Aber immer noch war des Leidens kein Ende. Als ich endlich im Auto saß, mir eine Zigarette anzündete und losfahren wollte, fuhr ich 30 Meter und schon stand ich wieder. Ich stand die nächsten 2 Kilometer, die Potsdamer Straße ist eine Geißel der Menschheit. Natürlich nicht für mich, sowas lass ich mir ja nicht bieten. Ich dreh um und fahre Umwege über Umwege, Hauptsache ist: ich fahre.

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