Dienstag, 28. Juni 2016

Life sucks

Manchmal trifft es mich unverhofft. Eine Verletzung, Kränkung, Fiesigkeit, die ich sonst wegstecke, fast so, als sei sie nicht passiert. Im entpersonalisieren bin ich ganz gut. 

Ich halte mich für einigermaßen robust oder wenigstens für eine gute Verdrängungskünstlerin. Also meistens halte ich mich für robust, aber wenn jemand was durchgestochen bekommt, in einem Moment der Arglosigkeit, denke ich, nee, bin ich nicht, ich bin doch nicht robust, nicht mal in der Nähe. 

Dann schießen mir die Tränen hoch, bzw. wollen sie das, sie kommen natürlich nicht an ihr Ziel, dafür sorge ich schon, aber ich werde müde, bin es leid, will einfach aufstehen und gehen und nicht mehr wieder kommen. Alles hinschmeißen, dann mach ich halt 'ne Frittenbude auf oder geh putzen oder mach noch mal was ganz anderes, aber halt...zu schnell, soweit denke ich gar nicht, das assoziiere ich jetzt nur, eigentlich habe ich nur einen Impuls: aufstehen und gehen. Punkt. 

Ich bleibe sitzen, steck den Schlag weg, bin angefasst für den Rest des Tages, verwundet und ohne Möglichkeit, adäquat oder meinetwegen auch nicht adäquat zurückzuschlagen. Ich bin es so leid (sick and tired, wie der Ex-Ami immer so schön sagte), so leid und dann will ich nur noch auf den Schoß von irgendjemandem kriechen, aber dann sammel ich mich und bin verwundert, dass ich mich so klein und schwach fühle, so unangemessen verletzt und glaube, das liegt nur daran, dass ich mich nicht wehren kann, ohne mich selbst und meine Rentenpunkte zu opfern. 

Aber einmal alles überbrüllen, auf den Tisch hauen oder unter die Gürtellinie, so, als hätte ich im Lotto gewonnen und wäre völlig unabhängig und würde nicht für eine bestimmte Rolle bezahlt. 

Ich fahre nach Hause, das Leben erscheint mir wie ein langer, unruhiger Fluss, wo soll ich die Kraft hernehmen für Weiteres, ernsthaft, so etwas frage ich mich, so angestrengt fühle ich mich von meinem vernünftigen austarieren und gleich schelte ich mich meiner Toskana Probleme, ist doch alles nicht so schlimm, was mir aber auch nicht hilft. Heute nicht.

Sonntag, 26. Juni 2016

Cheffe: Klappe, die 47ste

Bekomme den Auftrag von Cheffe, um 11 Uhr einen Reminder in die Welt zu senden. Das mache ich, kurz bevor ich zu einem Termin verschwinde. 

Nach zwei Stunden erhalte ich eine Mail von ihm: "Leider hast du deinen Arbeitsauftrag nicht erfüllt. B. musste für dich einspringen. Bitte achte in Zukunft mehr auf die Erfüllung deiner Pflichten."

Ich antworte "Hä, geht's noch? Wieso, ich hab's doch versendet." und leite ihm besagte Mail zu meiner Entlastung weiter. 

Er bestellt mich in sein Büro.

Oh, denke ich, jetzt will er sich bestimmt entschuldigen. 

Weit zurückgelehnt in seinem Chefsessel empfängt er mich zur Inquisition. 

"Du hast die Mail versendet?"
"Ja klar, du hast mir doch gesagt, dass ich's machen soll, also habe ich's gemacht."
"Reeede mit mir. Ich hab gedacht, du hast es nicht gemacht. Also habe ich B. gebeten, es zu tun. Du bist dafür verantwortlich, dass draußen der Eindruck entsteht, dass wir uns nicht absprechen."

Kochend vor Wut drehe ich mich - wortlos - auf dem Absatz um

Dabei hätte ich ihm eine Menge zu sagen, gleich nachdem ich ihm an die Gurgel gesprungen wäre. Meine Impulskontrolle hängt an einem seidenen Faden.

Er folgt mir auf den Fuß, kommt in mein Büro, schließt die Tür.

"Weshalb drehst du dich einfach um und gehst?"

Ja, warum nur? Weil ich es so leid bin, dass ich auf die Fresse kriege, obwohl ich geräuschlos funktioniere, weil es... äääh.. zu geräuschlos ist. Weil ich so müde bin, in dieses blasierte Gesicht sehen zu müssen und dabei meine eigenen Gesichtszüge in einen Zustand völligen Gleichmuts zu zwingen. Weil meine Frustrationstoleranz komplett aufgebraucht ist und zwar bis an mein (hoffentlich in weiter Ferne liegendes) Lebensende.

"Ich bekomme einen Einlauf, obwohl ich genau das getan habe, worum du mich gebeten hast. Dazu fällt mir nichts mehr ein."

"Kannst du nicht EINMAL selbstkritisch sein?" brüllt er und wirft die Tür hinter sich zu, als er mein Büro verlässt.

Weshalb hilft mir denn niemand? Universum, wo bist du? Was habe ich eigentlich verbrochen? Ist das eine Lernaufgabe, und wenn ja: was soll ich daraus lernen? Ich kann doch keinem Pferd was zuleide tun. Was will dieser Mann von mir? 

Es ist bald geschafft. Ommmmm...

Mittwoch, 22. Juni 2016

Hoch zu Ross

Seit Monaten bin ich mit diesem Pferd zugange. 

Ich habe überhaupt keine Angst mehr, ihn wegzuschieben, wenn er mir zu nahe kommt, ihm den Kopf festzuhalten, wenn ich ihm die Nüstern putze und dass mir immer ein endloser Furz (Pfffffffffffffffffffffffffffffffffffft) ums Haupthaar weht, sobald ich seine hinteren Hufe auskratze... nun ja, ein bisschen Spaß muss sein. Ich gehe vor ihm in seinen Stall und wenn er einfach reinlatschen will, stoppe ich ihn und schicke ihn ein paar Schritte rückwärts, bevor er rein darf. 

Ich hab Glück mit dem Pferd, es ist ausgeglichen, geduldig und am liebsten steht es still. Wenn es keinen triftigen Grund gibt, rührt es sich nicht. Aber es ist gut ausgebildet, keins von den zuschanden gerittenen Schulpferden, sondern aufmerksam, neugierig und dabei nicht allzu schreckhaft.

Das optimale Tier für einen Angsthasen wie mich. 

Heute war der große Tag. Ich sollte mich das erste Mal draufsetzen. 

Ein schlechter Tag, schwül und heiß, da bin ich per se kaum mehr unter den Lebenden. In der gleißenden Sonne machte ich ihn fertig, putzen, trensen, Sattel drauf - ich war halb ohnmächtig vor Hitze. Reithosen sind aus festem Stoff, Reitstiefel habe ich nur gefüttert, Handschuhe an und dann noch den Reithelm auf - ich wollte die ganze Sache abblasen und im November 2018 einen neuen Versuch starten. 

Aber alle, die dir reiten beibringen wollen, haben eine Dominanz, die keine Widerworte duldet; die haben sie sich erworben in all den Jahren, die sie mir voraus sind. 

Sidekick: @ Eltern: schickt eure Kinder zum reiten. Wenn sie die Erfahrung machen, dass sie so ein großes Tier kontrollieren, lassen die sich auch im Leben nicht die Butter vom Brot nehmen. 

Gottseidank steigt man heutzutage mit einer Aufstieghilfe aufs Pferd, weil man festgestellt hat, dass das rückenschonender für das Tier ist. Unter anderem, würde ich sagen.

Ich sollte nur geführt werden, dabei hatte ich vor, die Besitzerin zu überraschen. Ich wollte ganz lässig sagen: lass mal, ich mach das schon alleine und traben will ich auch gleich probieren. So der Plan. Ich hatte volles Vertrauen in mich und das Tier, denn ich kenne es nun gut genug, diesen sanften Riesen, der mir kein Leid zufügen wird. 

Kaum saß ich drauf, kam, was kommen musste: er wollte gleich mit mir durch die Mitte und die Besitzerin hatte ihre Mühe und Not, ihn daran zu hindern. Sie erschrak sich ("das hat er noch nie gemacht!"), ich sowieso und das Pferd machte genau das, was ich ihm in meiner Panik befahl: Beine fest in die Seiten gedrückt heißt nun mal "Nu mal los, aber hoppchen." Es ist, wie schon gesagt, ein gut ausgebildetes Pferd, das auf leichte Hilfen reagiert. 

Ich wollte sofort wieder runter. Dachte, wieso will ich unbedingt reiten, das macht doch ü-ber-haupt keinen Spaß. Und es ist auch recht unbequem da oben. Sehr wackelig. Und dann führte sie mich zum Spiegel, damit ich mal sehen kann, wie ich drauf sitze. Dieser schwankende, nasse Sack soll ich sein? Wieso sieht denn das bei mir nicht elegant aus? Wo ist denn meine Körperspannung? Doch nicht etwa weggeraucht? 

Nach zehn Minuten hatte ich die Nase gestrichen voll und wollte absteigen. 

...

Ich werde darüber schweigen und außerdem versuchen, so schnell wie möglich zu verdrängen. Mein Selbstbild ist im Arsch, keine Ahnung, in wieviel Jahren ich mich wieder ernst nehmen kann.

Insgeheim bewundere ich das Pferd für seine Klugheit. Bis ich da mal wieder drauf steige, bin ich in Rente. Die Pferdebesitzerin sieht das anders. Nächsten Mittwoch. Ich glaub, da muss ich aber bügeln.

Sonntag, 19. Juni 2016

Nirgendwo Wülste

Wann immer ich die Glotze anschalte, werde ich sofort katatonisch, ich lieg dann auf dem Sofa wie Stephen Hawkins, nur dass ich nicht mal mehr den kleinen Finger bewegen kann, um umzuschalten; ich kann ja kaum die Augen offen halten. 

Ich habe - völlig für die Katz - Millionen Programme zur Verfügung, die ich mir 2008 aufquatschen ließ, als ich den Anbieter gewechselt habe. Mein Fernseher kennt praktisch nur Phoenix, ich schau gern Dokus. Manchmal, ganz selten, wenn ich vor Kraft nicht laufen kann, zappe ich auch mal durch, zumindest versuche ich es, aber nach drei Programmen ist die Luft raus und ich bleibe ich schon wieder hängen. 

Nicht unbedingt beim Qualitätsfernsehen, das gibt's ja leider nicht, also ich würde schon gerne was Gutes sehen, aber dann bleibe ich mit verzerrten Gesichtszügen bei QVC hängen und frage und frage mich, wo sie diese Moderatoren herbekommen, die so widerlich schleimig ihre restlos überflüssigen und breihässlichen Produkte bewerben. Was die für eine Scheiße erzählen, und wie die das machen, das kann sich eigentlich kein Mensch ausdenken. 

Wenn ich eine QVC Tussi wäre und mit einer anderen Tussi in so einem Studio säße und in diesem süßlichen Ton den größten Dreck als unverzichtbare Accesscoires feilbieten müsste und in meinem Vertrag stände, dass Telefonate mit schnaufenden Anruferinnen über 75 inbegriffen sind - ich hätte ruckzuck meine Traumfigur, wegen all der Kotzerei nach Feierabend. Wahrscheinlich arbeiten die überhaupt nur deshalb dort. 

Manche machen das offenkundig, weil sie gerne andere Frauen angrabbeln. Bei dieser Quetsch-Unterwäsche, da bestellen die dann unförmige Frauen hin, zeigen vorher-nachher-Bilder und die Moderatorin betastet dann ausgiebig die Brüste der Matrone, um zu zeigen, wie schön jetzt alles nach oben gequetscht ist. 

Sauber. Da geht doch was. Na klar. Ihre Hände gleiten tiefer, denn auch untenrum ist jetzt alles gut verpackt und sie kreist extatisch auf dem Po und - ich fass es nicht - in den Schritt der engagierten Buchhalterin (Nebenjob: Model für schwierige Figuren), "Schauen Sie, nirgendwo Wülste!"

Ich bin jetzt halbseitig gelähmt und habe eine Atemlähmung, keine Chance aus diesem Alptraum aufzuwachen. Nir-gend-wo Wül-ste. Dann bin ich ja beruhigt.

Freitag, 17. Juni 2016

Ladybird

Der Kiezschreiber hat dafür gesorgt, dass ich mich an etwas erinnert habe. 

Eine Freundin von mir hatte Vögel, vier Stück, die mir meistens auf die Nerven gingen, weil sie jede Menge Rabatz machten und mir immer um den Kopf flogen, im Tiefflug, sie kannten sich gut aus in der Wohnung. Bis auf die Tieffliegerei nahmen sie von mir keine Notiz, wir hatten keine Lust, uns näher zu kommen. Wir nahmen uns billigend in Kauf.

Ich hatte einen Schlüssel zu ihrer Wohnung und eines Tages rief ich sie tagsüber in ihrem Büro an, ob ich mich mal in ihre Wohnung verkrümeln könnte, zuhause bei mir vollzog sich ein mittelschweres Drama, dem ich mich durch Flucht entziehen wollte. Ein Café hätte nicht gereicht, ich brauchte dringend eine Pause, eine vollständig weltabgewandte Pause.

Als ich bei ihr eintraf, legte ich mich auf ihr Sofa, erschöpft von meinem spektakulären Liebesleben, mit klopfenden Herzen und Schnappatmung. Ich legte mich ganz lang auf den Rücken, Hände über den Bauch gefaltet und schloss die Augen. 

Da flatterte einer der Vögel (ihr Lieblingsvogel, ein hornalter Wellensittich von 13 Jahren, den ich praktisch von Geburt an kannte) plötzlich auf mich zu und setzte sich auf meine Hände, beziehungsweise auf einen meiner Finger, blieb ganz still sitzen und sah mich aufmerksam an, minutenlang, der kleine Reiki-Meister

Die Wärme seiner kleinen Krallen rührte mich ebenso wie die Tatsache, dass dieser winzige Vogel wusste, was Sache ist. Ich brauchte Trost und ich bekam ihn.

Aber das war eine einmalige Ausnahme. Beim nächsten Besuch tat er so, als hätte er mich noch nie gesehen.

Dienstag, 14. Juni 2016

Ein Chef geht seinen Weg

"Druck mir das mal aus" 

Mal schreibt er mir das, mal brüllt er über alle Flure, mal ruft er an, oder noch schlimmer, kommt in mein Büro und sagt's mir persönlich. Manchmal schreibt er mir das lange nach Feierabend, ich solle das hier morgen ausgedruckt auf seinen Tisch legen, oder ich schicke ihm etwas, was er braucht und postwendend kommt die Antwort, bitte ausdrucken, in Farbe. Höhepunkt: eine Mail gegen 21 Uhr, im beleidigten Tonfall "Das hier musste ich mir eben selber ausdrucken", die Leberwurst stört mich beim Doppelkopf mit seinen Pamphleten, ein Diensthandy verfolgt dich überall. 

Ich schwöre, wenn ich noch einmal was ausdrucken soll, kann ich für nichts mehr garantieren. Dann schließe ich mich der Achse des Bösen an. Dann ist kein halten mehr. Polen offen. 

Die Herrlichkeit sitzt in seinem Zimmer direkt neben seinem eigenen Drucker, er braucht nur den Arm auszustrecken. Den eigenen Drucker hatte er sich gewünscht und bekommen. So wie das Flipchart. Den Beamer. Das Smartboard. Nur die Nespresso nicht. Ich hingegen brauche kein Lauftraining mehr, weil ich durch Flure und Räume rasen muss, damit er das Gefühl hat, er sei auch weiterhin der große Entscheider.

Ich bin die einzige, der er noch was zu sagen hat. Das Spiel ist aus, ein paar Wochen noch, vielleicht ein paar Monate, bis der designierte Neue kommt. Sie haben ihn komplett abgeschaltet, oder, wie ich es treffender finde: enteiert. Seitdem hat sich der Papierverbrauch in unserer Abteilung drastisch gesteigert, obwohl er nichts ausdrücken müsste, PdFs kann man auch hübsch auf dem Ipad lesen, aber darum geht's ja nunmal nicht. 

Hier kämpft ein Mann um seine Reputation, er muss sich und aller Welt beweisen, dass er führen kann und führen muss und wenn's irgendwie geht, auch weiterhin führen wird. Und wenn niemand mehr zum führen da ist, wird die Tippse geführt bis der Arzt kommt. Solange es eben möglich ist. 

Ich selbst habe viel zu tun. Ich muss mich konzentrieren. Während also im Chefzimmer unter lautem Gelächter und jugendlichem Gegröhle das Feierabendbier genossen wird, was eigentlich gar kein Feierabendbier ist, sondern ein Kernarbeitszeit-Bier, sitze ich in meinem Zimmer und saufe ab in Arbeit, was ich prinzipiell nicht schlimm finde. Nur werde ich nicht gern gestört dabei. 

Jedes Mal, wenn ein weiterer Druckbefehl an mich geschickt wird, steigt mein Hass ins Unermessliche, weil ich zig mal herausgerissen werde aus komplizierten Exceltabellen oder Ablaufplänen, die ich erstelle. Während ich den Fotografen buche und dem Moderator ein Briefing schreibe, kommen neue Mails, der Einfachheit halber ohne Anrede, das ewig gleiche "Druck das mal aus". 

Neuerdings beweist er seine Kernkompetenz auch in anderen Dingen. Ein paar Jahre zu spät zwar. Aber erst wenn man etwas verloren hat, wird einem klar, wieviel es einem bedeutet. Das geht so einem Manager auch nicht anders. Also sitzt er plötzlich mit in Besprechungen und schwadroniert sinnbefreit über Inhalte meiner Arbeit, von der er in Jahren nichts begriffen hat. Ich sitze daneben und rolle hinter geschlossenen Lidern mit den Augen, ich habe es zu einer gewissen Perfektion gebracht damit. 

Er versucht den Eindruck eines großen Leaders zu hinterlassen. Aufgrund völligen Fehlens ir-gend-ein-es substanziellen Wissens erntet er staunende bis ungläubige Blicke, in die er blitzschnell sprachlose Bewunderung hineininterpretiert. Er schwafelt hanebüchenen Unsinn und ist ganz mit sich im Reinen.

Aber ich, ich stehe kurz vor der Einweisung. Wenn ich clever wäre, könnte ich von ihm lernen.

Mehr gefällig? Hier entlang.

Sonntag, 12. Juni 2016

1 A Projektionsfläche

Neulich stehe ich auf dem Balkon, kommt ein Radfahrer angebraust und hält an, als er mich sieht. Er will mich zu einer Radtour überreden, ich winke ab. Er insistiert, ich winke ab. Das hätte mir gerade noch gefehlt.


Also fährt er weiter, der sportliche Herr Schwerenöter, der immer dann durch meine Straße patroulliert - mich im schlimmsten Fall mit einem Überraschungsbesuch quält - sobald seine Frau außerhalb der Stadt weilt. 

Verheiratete Männer gehen gar nicht. Abgesehen davon, dass er 76 ist.

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Neulich auf einer Gartenparty. Ich kenne nur die Gastgeber, aber das macht nichts, ein Mann bemüht sich ganz besonders um mich, wir reden und reden. Irgendwann sage ich, dass ich müde bin und gehen werde. "Bitte bleib doch noch" sagt er so flehentlich, dass ich gerührt eine weitere Stunde sitzen bleibe. 

Irgendwann sehe ich seine Hände genauer an. Ganz zarte, kleine Hände, mit Fingern eines achtjährigen Jungen, obwohl er recht groß ist, einen Vollbart trägt, aber seine Hände... die eines Kindes. Das gerade seinen Hamster vergraben hat. Ohne Gartenhandschuhe.

Wir hatten das Thema schon. Geht gar nicht. Abgesehen davon, dass er 26 ist.

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Herrje. Was sagt mir das? 

(Ganz einfach: der eine hat nichts zu verlieren außer Zeit, der andere einen Mutterkomplex)

Donnerstag, 9. Juni 2016

Einmal Bitch, immer Bitch

Im Fährhaus Caputh. Alle finden das toll, mehr aus Tradition denn aus objektiven Gründen (Essen lala, die Fähre verpestet die Luft mit Dieselgestank), ergo findet man keine freien Tische. 

Wir uns also zu zwei hornalten Damen gesellt. Wenn einem eine hornalte Dame sogleich mitteilt, dass sie schon 85 ist, erwartet sie, dass man ungläubig ausruft, dass man ihr das gar nicht ansieht. Mein Begleiter tat ihr milde den Gefallen. 
 
Die andere, weitaus schicker, mit Klunkern behangen und in einen Wonderbra(!) gezwängt - ist ein Biest, wie sich schnell rausstellt. Sie sei kürzlich in Berlin gewesen "Unter den Linden ist auch nicht mehr das, was es mal war. Alle Straßen aufgerissen, die machen alles kaputt.  Früher war das so schön dort. Ach, und der Palast der Republik, der war erst schön." 

Und dann, mit maliziösem Lächeln: "Ich war häufig dort."
 
Die andere empört: "Da ist man doch gar nicht reingekommen. Ich bin ja auch schon 85."  

"Ach Du! Ich war oft dort." 
 
Dann wieder zu uns: "Ihr habt den ja nur den Lampenladen genannt, aber das stimmt gar nicht. Der war so modern und schön." Dann kam eine längere Litanei, dass "wir" immer nur alles kaputt machen und hochverschuldet sind. 

Die andere ergänzt: "Deshalb wollten wir auch damals nicht die Fusion und heute wollen wir die immer noch nicht. Dann geht nur alles wieder nach Berlin und für uns bleibt nichts übrig. Ich bin ja auch schon 85."
 
Als es ans bezahlen ging, schob das Biest die Rechnung herablassend an die andere weiter, mit lasziv halbgeschlossenen Augen zu uns: "Ich werd immer eingeladen." 

Das glaubten wir nur zu gerne. Die andere stolz:

"Ja, ich bezahle immer. Ich bin ja auch schon 85 und habe eine sehr gute Rente. Handwerk hat goldenen Boden, wenn Sie verstehen, was ich meine."  

Sie sah in der Tat handwerklich begabt aus. Im Ganzen kastenförmig, selbst ihre Frisur hat damals bei den Schweißarbeiten im Kombinat sicher nie gestört. 

Zum Abschied warf die andere noch einen verstörenden betörenden Blick in Richtung Begleiter.

 
Als wir den Tisch für uns hatten, wäre ich auch zufrieden gewesen, wenn es bald zurück nach Berlin gegangen wäre, aber er wollte mir noch was Schönes zeigen. Das Strandbad Caputh. 

Und da, ENDLICH, war ich, wo ich sein wollte. Direkt am Wasser, auf zwei Holzliegen liegend, in den Sonnenuntergang schauend, quackelte er mich in den Schlaf. Ich murmelte nur ab und zu "Warum hast du mich denn nicht gleich hierher gebracht?", was er undankbar fand, denn immerhin wäre ich doch jetzt hier. Stimmte auch wieder. 

Dienstag, 7. Juni 2016

Missglückte Blinddates

After Work am Rüdesheimer Platz. Dort wurde mir klar, dass ich gerne noch mal dreizehn wäre. 
 
Neben uns saß ein potentiell angehendes Paar mit einer überkandidelten Dame, die die eigentlich einnehmende Wirkung ihres französischen Akzents sogleich durch inhaltlich wirres Zeug pulverisierte. 

Nach anfänglichem Gegurre "Isch sähe in dein Augän, dass du ein wunderbarörr Künstlärr bist" kam sie schnell zu den wichtigen Themen: 

"Isch 'abe mein' Familie göliebt, alle 'abe isch göliebt, aberr sie 'aben misch nicht göliebt. Isch frage disch, wie soll isch damit löbenn? Die Liebö 'at misch immerr unglücklisch gömacht." 

Und weiter gings:

"Isch bin 46, oh, so alt schon, aberr niisch so fett wie mein Schwestör."
 
Sie war hübsch und er wird erwartungsfroh seine Verabredung mit ihr getroffen haben. Anfänglich versuchte er, zum Gespräch beizutragen, aber ihrem Verkündigungsdrang war er nicht gewachsen. Er kapitulierte stumm. 

Sie wurde noch hysterischer "Oh non, isch läge misch für niemonden mehr auf den Rückän", obwohl er das meiner Beobachtung nach gar nicht vorgeschlagen hatte. Ich nahm vielmehr an, dass er sich selber gern auf den Rücken gelegt hätte und zwar allein und das möglichst bald. 
 
Als ich dreizehn war, sagte mir M., dass K. mit mir gehen wolle (ja, nein, vielleicht). Ich sagte ja und erlebte eine unkomplizierte erste Liebe. Wir hatten auch Krisen: mein erster ernsthafter Friseurbesuch war Anlass genug, ihm die Trennung anzubieten. Er lehnte ab. Wir gingen da zusammen durch. Das Leben war so einfach.

Katzen Content

"Die Katze ist wieder da!"
 
"Wo warse denn?"
 
"Eine Woche wie vom Erdboden verschluckt. Aufgegabelt 4 km von hier."
 
"Die hatte noch was vor im Leben."
 
"Wir stellen uns das so vor: angelockt von einem Kind, mit nach Hause genommen und nach einer Woche haben die sich gedacht, wir fangen uns lieber 'ne andere Katze."
 
"Und wie isse jetzt drauf?"
 
"Noch nerviger."
 
"Nervig?"
 
"Ich vergleiche das immer mit Kindern. Da hast so'ne süße liebe Tochter und so'n nervigen ADHS-Jungen, wo du nur denkst, Gott ja, ist halt auch unser Kind."
 
"Also 'ne ADHS-Katze."
 
"Genau. Wahrscheinlich hochbegabt."
 
"Die hat sich unterfordert gefühlt." 
 
"Bestimmt."
 
"Und sie hat eure Abneigung gespürt."
 
"Fürchte ja. Traumatisiert, zusätzlich zur Hochbegabung."
 
"Hättet ihr sie gefördert, wär das nicht passiert."
 
"Auf ganzer Linie haben wir versagt. Wir waren schon traurig, als sie weg war, aber ehrlich gesagt, auch froh. Die nervt wirklich."
 
"Und nu isse wieder da." 
 
"Du sagst es."

Sonntag, 5. Juni 2016

Nie wieder Yoga

Meine Freundinnen von gegenüber und ich pflegen beste Kontakte in die nähere Nachbarschaft. So gesellte sich letzte Woche die Yogalehrerin von nebenan zu uns in die Sonne. Flugs buchten wir eine Privatstunde, wir wollten auch geschmeidig werden.
 
Dann stand ich als als eingesprungener Hund kopfüber auf der Matte und habe mich bis jetzt nicht davon erholt. 

Wenn die Vorturnerin anmerkt, dass "ihr sicher gleich das Gefühl bekommt, zu kollabieren, aber das ist ganz normal und gibt sich nach der dritten Stunde" lass ich mir das nicht zweimal sagen und warte angestrengt auf Anzeichen einer Ohnmacht. 

Kopfüber ist nicht meins. Meine aktuelle Inkarnation erlaubt derlei Verrenkungen nicht, dafür habe ich aber das gute Parkplatz Karma (gerade heute wieder bewiesen, direkt vor der Tür des Maison Blanche in der Körtestraße, an einem Samstagabend, sowas mach ich mit links).


Jede Übung ein massiver Eingriff in meine Lebensqualität. Und es wurde immer noch schlimmer. Da steht man auf Händen und Füßen, Allerwertesten in die Höhe und dann die Füße umklappen, als läge man auf der Seite. Dann das linke Bein "als Unterstützung" nach vorne holen und im rechten Winkel abstellen und den linken Arm in die Höhe. 

Geöffnetes Becken, was immer das heißen mag und tief in den Rücken atmen; dabei ist es mir in meinem ganzen Leben noch nicht gelungen, irgendwo anders hinzuatmen, als in meine Lungen. Und dann den ganzen Kram auf der anderen Seite, ohne Pause zwischendurch. Ich bin ein Wrack und hab jetzt Athrose.
 
Unterdessen habe ich mir Anfängerstunden im Netz angesehen und sehe mich bestätigt. Mit Anfängerübungen hatte das nix zu tun, ich arme Wurst. Ich war so kaputt, dass ich nicht einschlafen konnte. Meine Chakren wissen nicht mehr, wo oben und unten ist.

Freitag, 3. Juni 2016

Brandenburg

Brandenburg mag langweilig sein, ist aber an Lieblichkeit kaum zu übertreffen.

  

  

Was stört, ist die Bevölkerung, die ihr Heil sucht in puristischer Freizeitgestaltung: in Camouflage gekleidet mit der Bierpulle am Gartenzaun stehend, ein Sixpack zu Füßen. 


Zwei hinterm Zaun, einer davor, alle drei mit alkoholbedingten 'Sieben Zeichen der Hautalterung'. Die lassen wohl nicht gerne Besuch ins Haus. 

Hätte ich gerne fotografiert, wär mir aber nicht bekommen. Die sahen aus, als hätten sie nichts mehr zu verlieren.

Donnerstag, 2. Juni 2016

Mittach umme Ecke


Auf dem Schild steht: „Heute: Rote Linsensuppe mit Kokos“
 
Denk ich, super, gekauft.
 
Mir wird eine dampfende Terrine gebracht. Drin sind Kartoffeln, Mohrrüben und Suppengrün.
 
„Das ist keine rote Linsensuppe mit Kokos.“
„Doch, das ist sie.“
„Zeigen Sie mir eine Linse.“
„Die sind passiert.“
„Die Kartoffeln und Mohrrüben sind doch auch nicht passiert.“
„Ich frag den Koch.“
 
Geht ab.
 
Ich probiere unterdessen die Suppe. Schmeckt gut, hat nur nix mit Linsen und Kokos zu tun. Macht ja nix.  

Die Bedienung kommt zurück.
 
„Die Linsen sind zerkocht und deshalb sieht man die nicht mehr.“
Sie wollen mich veräppeln.
 
Eine andere Bedienung kommt ihrer Kollegin zu Hilfe.
 
„Das sind rote Linsen. Man kann sie nur nicht mehr sehen. Wirklich.“
 
Zu blöd das Palaver, außerdem ist das meine Mittagspause, meine geheiligte Schweigestunde und wenn ich die schon aushäusig in Begleitung einer Kollegin verbringe, dann will ich mit dieser gehaltvolle Gespräche führen, anstatt bescheuerte Thekenkräfte zu erdulden.

Ich ändere abrupt meine Strategie.  
 
„Ist gut. Vergessen Sie's.“

Kehrt Ruhe ein, weil ich durchblicken lasse, dass ich genug von dieser Planet-der-Affen-Konversation habe? Nicht die Bohne.
 
„Wirklich, da sind Linsen.“ – nimmt mir die Trulla den Löffel aus der Hand, lässt Suppe drüber laufen, „Sehen Sie, da sind die Linsen. Man kann sie nur nicht mehr sehen."
 
Jetzt bin ich mir sicher, dass ich in einem Almodóvar-Film geraten bin, um mich herum lauter hysterische Penelopes Cruz', während ich mit eisiger Verachtung den Part der bösen Ur-Germanin übernehme. 

„Ich sagte schon: ist gut.“
 
„Es sind aber wirklich Linsen drin.“

"Von mir aus."

"Wirklich!"