Mittwoch, 11. Januar 2017

Fabelhafte Führungskräfte

Im Zuge des Projekts "Auch-ich-habe-ein-Privatleben", das mir eine neue Konstellation im Büro aufgezwungen hat, habe ich schon mal damit angefangen, früher zu erscheinen zum Zwecke des früheren Verschwindens. Das hat nicht geklappt. Ich bin früher da und bleibe länger. Es ist zuviel zu tun und ich fühle mich unersetzlich. Hab da so'n narzisstisches Ding am laufen. Oder ich armes Schwein bin wirklich unersetzlich.

Was ich an Führungskräften bewundere, ist, dass sie auf dem Zenit ihrer Karriere das Prinzip der Work-Life-Balance total verinnerlicht haben und uns, den unteren Gehaltsklassen, so gesehen mit gutem Beispiel vorangehen. 

Sie gehen jeden Tag in eine ausführliche Mittagspause nicht unter zwei Stunden, komme, was wolle. Meine Mitstreiter wissen noch einigermaßen gut, wie Mittagspause buchstabiert wird, ansonsten hat dieses Wort nur noch einen fernen Nachhall aus früheren Zeiten, die Zeit vor dem Change Management, als wir noch nicht beschäftigt damit waren, aberwitzige, sogenannte "Projekte" umzusetzen, die schlicht nicht umzusetzen sind. Was in letzter Konsequenz aber auch gar nicht gewünscht zu sein scheint. Je mehr Kollegen scheitern, desto weniger unerreichbare Ziele nicht erreicht werden, um so weniger Boni muss man auszahlen und der ein oder andere lässt sich sogar wegen vorsätzlicher krankhafter Unflexibilität relativ geräuschlos entsorgen.

Dann sind Führungskräfte auch Großmeister im Delegieren. Das geht so weit, dass sie sich einfachste Sätze schreiben lassen, die sie dann in eine Mail kopieren und unter ihrem Namen versenden. Ich rede hier nicht von wissenschaftlichen Texten oder Handouts; das ist man ja gewohnt, dass sich die eigene Arbeit jemand anderes an die Brust heftet. Nein, inzwischen geht das viel weiter und noch viel kleinteiliger. Ich habe vor einiger Zeit schon mal geschrieben, dass nicht mehr viel fehlt und ich muss Cheffe aufs Klo begleiten. Goldene Zeiten! Indessen muss ich ihm auch die Klobrille hochklappen, das Klopapier reichen und ihm die Hände waschen, von anderen Dingen ganz zu schweigen.

Wobei, im Hände reinwaschen sind die High Potentials auch hoch talentiert. Was auch immer man ihnen vorbereitet und sie wortlos und ohne Dank zur Kenntnis nehmen und dann in letzter Konsequenz doch vergeigen, weil sie das Paper schlicht nicht an die nächsthöhere Stelle weiterleiten, zur Untermauerung ihres nie ermüdenden Fleißes oder schlicht um die Dinge ins Tun zu bringen - in ihrem Inner Circle behaupten sie der Einfachheit halber, die unfähigen Mitarbeiter haben nicht geliefert.

Was widerum zur Folge hat, dass ein jeder vermeidet, einer Führungskraft etwas mündlich zu übermitteln, sondern zur eigenen Absicherung alles per Mail sendet. Die Postfächer quellen über und kaum einer traut sich noch, etwas zu löschen, vor allem unter "gesendet" befinden sich Megabites an gerichtsverwertbarem Beweismaterial. Was am Ende auch wieder zwecklos ist, denn wer rennt  im Falle eines Falles tatsächlich zum Obermufti und beweist mit einer Flut von ausgedruckten Mails, dass man sehr wohl geliefert hat plus vier Remindern inkl. Lesebestätigungen? 

Früher war es nicht möglich, dass eine Führungskraft eigene Versäumnisse den Subalternen unterschob, weil sie sich damit nur dem Verdacht aussetzte, dass sie den Laden nicht im Griff hat. Und dass sie das viele Geld dafür bekommt, Verantwortung zu haben und zu übernehmen. Also auch hier wurde natürlich vermieden, die Führungskraft persönlich der Unfähigkeit oder Faulheit zu beschuldigen, soweit kommt's noch kam's nie. Aber mit der Aussicht auf drohenden Ehrverlust hat man immerhin verhindern können, dass kapitale Versäumnisse auf den Trainee oder die Schülerpraktikantin abgewälzt werden.

Gott, jetzt höre mich aber wirklich an wie eine Märchentante! 

Zurück zu meinem Projekt "mehr Privatleben": immer noch erkältet begab ich mich unter Leute. Alle verrotzt am Tisch. Einer ganz frisch, er nieste und nieste. Und ich dachte noch, wenn das mal gut geht mit der Tröpfcheninfenktion. Siehe da: seit 4 Uhr bin ich wach, neu infiziert und ich kann keinen Ingwer mehr sehen. Hat ja am Ende auch nichts gebracht.

14 Kommentare:

  1. Im Notfall empfehle ich Fisch und Zwiebeln. Also z.B. Fisch braten und dazu Möhren/Zwiebel-Gemüse. Ist mit der beste Entzündungshemmer.
    Zum Privatleben. Leider ist es oft so, dass man zwar früher kommt, man aber schief angeschaut wird, wenn man dann auch früher geht. Ich stehe tatsächlich um 5 auf, damit ich morgens Zeit für eine gemütliche Waldrunde habe. Dann hatte ich vor dem Büro schon Privatleben. Abends bin ich eh oft zu kaputt oder andere Dinge stehen an.
    Wobei ich aber auch einen tollen Arbeitgeber habe. Überstunden sind hier auf Dauer tatsächlich nicht gerne gesehen, es gibt Anweisungen das Diensthandy am Wochenende auszuschalten etc.
    Frust gibt es aber auf anderen Ebenen ;-)

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    1. Man wird nicht mal dumm angekuckt, wenn man früh geht. Aber durch den Wolf gedreht, wenn man die Arbeit nicht schafft. Und deshalb...

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  2. Ich frage mich, seit wann all das von dir beschriebene so komplett unsere Arbeitswelt übernommen hat.
    Es ist in der Tat so, daß Vorgesetzte inzwischen keinerlei Verantwortung mehr übernehmen, ja nicht einmal mehr Entscheidungen treffen, denn die könnten ja falsch sein.
    Und ich hab mich in den frühen 90ern noch über patriarchalische Chefs aufgeregt.
    Man, die hatten wenigstens noch Eier und standen hinter ihrer Arbeit.
    Gut, man musste dann wegen andere Sachen die Stirne runzeln, aber im Vergleich zu heute waren das noch richtige Männer. ( Jaa, Frauen waren damals absolut die Minderheit, was aber nicht heißen soll, daß die es jetzt, so Sie denn in entsprechenden Positionen sind, besser machen.)
    Obwohl....bei mir in der Fa. sind die Frauen oft konsequenter und taffer als Ihre männlichen Kollegen in ähnlicher Position.
    Vielleicht erleben wir gerade einen Wechsel.
    Schauen wir uns nur mal diese Frauke Petry an, die hat derartige bolloks, da können eigentlich alle anderen abstinken.
    Siggi Gabriel, also bitte...........
    Achtung, ich bin kein AfD Anhänger, man muss aber seinen Gegner auf jeden Fall im Auge behalten und analysieren.

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    1. Keine Ahnung, wann sich das gewandelt hat. Bei mir vor ca. 6 Jahren. Da kam einer, der hat sich Sachen geleistet, dass uns der Atem gestockt hat. Und er kam mit durch. (Übrigens der erste, der jünger als ich war) Alle, die folgten, setzten immer noch einen oben drauf. Und sie wurden immer jünger.

      Leider muss ich sagen, dass ich zweimal Frauen als Vorgesetzte hatte; die menschlich die allerschlimmsten waren. Und ich würde gerne was anderes behaupten.

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  3. Ich hatte hier eine sehr schöne Sache. Hatte meinen direkten Chef, Kim Jong-un, über eine nicht unwichtigen Sache per Email informiert. Als die Karre an die Wand fuhr, sagte er zu mir, als ich ihn darauf hinwies, dass er die Information bekommen hatte, ob ich wirklich annehmen würde, dass er seine Email liest. Er könne doch nicht alles lesen.

    Ich muss zugeben, das wirkte auf mich sehr verstörend.

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    1. Das wirkt auf mich inzwischen nicht mehr verstörend. Daher versende ich nichts mehr ohne Lesebestätigung. Dann habe ich so einen ungefähren Überblick, ob eine Chance besteht, dass er handeln wird.

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    2. puh, also, es gibt auch bei mir Dinge, die ich schriftlich mache, aber trotzdem ist das Klima hier dagegen echt entspannt. Bei uns wird niemanden der Kopf abgerissen, wenn was schief läuft.

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    3. Den Spruch kenne ich. Als ich mit dem Bürgermeister meines Heimatdorfes geschäftlichen Kontakt hatte und tagelang auf das schriftliche "Go" für den brandeiligen Aufrag wartete, und ich ihn nach sinnlosem Verstreichen der Deadline das 3. Mal (!) anrief, fragte er mich total empört, ob ich wirklich erwarte, dass er mehr als nur die erste Zeile einer Mail lese. Immerhin sei er der Bürgermeister! Der Bür-ger-meis-ter!einself!! Da habe er keine Zeit, sich eMails im Ganzen durchzulesen! Geschweige denn darauf zu antworten!

      Weißte Bescheid?

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  4. "Ach schick mir das doch per Mail" dürfte inzwischen wirklich eine Übersetzung für "Rutsch mir doch de Buckel runter, ich lese deine Mails so und so nicht" sein. Ihr Beschreibung der Führungsebene trifft es wirklich!
    Ich müsste nur Kleinigkeiten im Text anpassen, um ihn direkt für mich verwenden zu können!
    Zeit einen Wechsel anzustreben!?!? Ja, aber die Frage, ob man nicht von einen Loch ins nächste stolpert! Ich bin selbst gerade bei intensiven Überlegungen diesbezüglich...

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    1. Ich kann das immer kaum glauben, dass es woanders auch so ist. Es beruhigt mich natürlich. Naja, beruhigend ist es wirklich nicht aber schön zu wissen, dass man nicht alleine damit ist

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  5. Von der Beschreibung und des Vokabulars halber könnte man FAST meinen, uns beschäftigte das selbe Unternehmen!? Scary.

    Eine der ERSTEN Unterweisungen, die junge neue Vorgesetzte bei uns bekommen, ist die Einrichtung von CC-Regeln in Outlook.
    In der Folge landen ALLE emails, in welchen der Vorgesetzte als "zur Kenntnis" mitadressiert würde sowie alle Emails bestimmter Personen(kreise) sowie alle Emails mit einem bestimmten Betreffinhalt ("zu Ihrer Info!") automatisch mit Markierung GELESEN im Ordner "CC".
    Ungelesen, natürlich. Mit automatischer Ablehnung einer Empfangsbestätigungsanforderung.

    Mich erinnert das an Calvin und Hobbes, wo der Kleine sich beide Ohren zuhält und laut singt "lalalaaa, ich kann Dich nicht hööööreeen!" ;-)

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  6. Kenne ich alles. Allerdings nicht so gebündelt. Wenn eine Führungskraft diese ganzen Kalauer auf sich vereinen würde, wäre sie extrem leicht abzusägen. Es sei denn sie ist geschäftsführender Eigentümer.

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